7. Landestreffen der Thüringer Initiativen in der Flüchtlingsarbeit

Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Thüringen: Der Integrationswille scheitert oft in den Landkreisen
7. Thüringer Initiativentreffen

Ehrenamtliche der Thüringer  Flüchtlingsinitiativen fordern die Landkreise und die Landesregierung auf, die  notwendigen Bedingungen für gelingende Teilhabe zu schaffen. Die Erfahrungen des täglichen Engagements für und mit Geflüchteten

zeigen, dass es in den Bereichen Unterbringung, Ausbildung und psychologische Hilfe dringenden Handlungsbedarf gibt. Die Engagierten fordern Politik und Verwaltung von Landkreisen und Land auf, von den pauschalisierenden Debatten um Integrationsunwillige zurück zu konstruktiven Problemlösungen zu finden. Demnach geht es weniger um Integrationswille, als um die Frage der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Integration muss gewollt sein und gefördert werden!

So müssen das Leben in den Gemeinschaftsunterkünften und die Frage der
Unterbringung von Geflüchteten an den Grund – und Menschenrechten orientiert sein. Einzelpersonen und Familien dürfen nicht in die Obdachlosigkeit getrieben oder zwangsweise in den ländlichen Raum abgedrängt werden, wo ihnen jegliche
Unterstützungsstrukturen und Chancen verloren gehen. Philipp Millius von der Refugee Law Clinic und dem Netzwerk Refugees Welcome Jena sagt dazu: „Wir setzen uns mit viel Energie dafür ein, dass zum Beispiel Familien eine Wohnung bekommen. Dabei ist das Recht auf Wohnung und Privatsphäre ein Menschen- und Grundrecht. Wir übernehmen da viel Verantwortung wo hingegen Gesetzesänderungen und Nichthandeln dazu führen, dass Geflüchtete mit Bleiberecht oft in den Sammelunterkünften festsitzen. Ich selbst habe eine Familie kennengelernt, die in abgewirtschafteten Containern leben muss. Hinzu kommt
noch, dass die Diskriminierung Geflüchteter auf dem Wohnungsmarkt in Thüringen tägliche Realität ist.“
Die Unterstützer*innen fordern dringend eine politische Initiative für günstigen Wohnraum für alle. Zudem muss die Landesregierung rasch angemessene und verbindliche Mindeststandards für die bereits bestehenden Sammelunterkünfte durchsetzen. Martin M. Arnold, Mitorganisator der landesweiten Vernetzung der Flüchtlingsinitiativen ergänzt: „Es ist zynisch, dass in der aktuellen Debatte pauschalisierend über den Integrationswillen Geflüchteter geredet wird, aber in vielen Sammelunterkünften der Landkreise die elementarsten Bedingungen eines gelingenden und menschenwürdigen Zusammenlebens nicht gegeben sind.“
In der Praxis wird festgestellt, dass zudem die Hürden im Bildungs-und Ausbildungsbereich zu hoch sind und es an Unterstützungsprogrammen fehlt.
Die notwendige Vorbildung kann oftmals ohne Nachhilfe oder Lernmaterial in der Muttersprache, nicht in kurzer Zeit gewährleistet werden. Viele Geflüchtete habe daher keine Chance auf einen Ausbildungsplatz oder einen Abschluss. Lilly Sommer vom Ilmenauer Flüchtlingsnetzwerk sagt dazu: „Es gibt in Thüringen viele nicht besetzte Ausbildungsplätze. Aber bisher ist nicht genug passiert, um Geflüchtete erfolgreich in und durch die Ausbildung zu bringen. Wir brauchen dringend ausreichende Unterstützungsprogramme um beispielsweise die nötige Vorbildung,
auch was Sprache angeht, zu garantieren. Doch die Realität zeigt, es gibt keine speziellen Nachhilfeangebote oder Lernmaterialien in der Muttersprache.
Die Bildungslandschaft muss sich also dringend auch den Lernenden anpassen.
Die Logik der Integration als Einbahnstraße funktioniert auch hier nicht.“
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Bedarfe nach spezieller psychologischer Beratung und Therapie von Geflüchteten enorm hoch sind, jedoch keine ausreichend finanzierten und gesicherten Therapiezentren vorhanden sind. Oftmals sind Geflüchtete in ihren prekären Lebenssituationen mit posttraumatischen Belastungen völlig allein gelassen. Es gibt nicht genügend Therapieplätze und vorhandene Wartelisten müssen immer wieder geschlossen werden. Die Landesregierung muss die psychologisch- medizinische Versorgung von Geflüchteten langfristig und ausreichend gewährleisten. Annegret Krüger vom Sprachcafé Erfurt sagt dazu: „Geflüchtete und auch die Unterstützer*innen werden bei enormen Belastungssituationen und in der Aufarbeitung der Fluchtgeschichten zu oft allein gelassen. Die aktuellen Angebote an kultursensiblen Therapieangeboten in der jeweiligen Muttersprache reichen bei Weitem nicht aus. Viele Geflüchtete sind krank und brauchen dringend fachliche Hilfe um das Erlebte zu verarbeiten, sonst ist es unrealistisch hier anzukommen und zu arbeiten oder zu lernen.“
Annegret Krüger fügt des Weiteren hinzu: „Die Probleme bei Kitaplätzen, Wohnraum, dem reformbedürftigen Bildungssystem und beispielsweise der Unterversorgung an Psychotherapieplätzen gab es ganz unabhängig von Geflüchteten. Es hat sich nicht viel bewegt und nun werden vielerorts gerade die Menschen dafür verantwortlich gemacht, die gerade erst dazu gekommen sind.“
Am 5. Mai 2018 trafen sich über 50 Vertreter*innen Thüringer Flüchtlingsinitiativen. Seit vier Jahren kommen ehrenamtlich Engagierte regelmäßig in Erfurt zusammen. Beim siebten Treffen standen neben Vernetzung und Austausch auch aktuelle politische Themen im Mittelpunkt.